Marcus Rosik begleitet Menschen mit den verschiedensten Lebens- und Arbeitsrahmen, Neigungen und Zukunftswünschen. Doch wer ist er selbst? Hier verrät er etwas über eigene Veränderungen und Säulen der Balance, um für andere hilfreich zu sein. Cornelia Reichert führt heute das zweite Interview mit ihm.

 

Cornelia: Fangen wir an, wo jedes Coaching beginnt: Vor dir sitzt eine neue Klientin oder ein neuer Klient. Jemand, den du nicht kennst. Wie kannst du die Person begleiten, wenn du – noch – nicht weißt, wie sie tickt?

Marcus: Das geht sogar sehr gut. Meine Rolle ist ja nicht, abgestimmt auf die Person zu beraten. Ich will vielmehr eine innere Reflexion anstoßen: Allein durch Fragen helfe ich Menschen, ihrem jeweiligen Thema näher zu kommen – quasi in gemeinsamer Resonanz. Ich stelle eine Frage und merke, inwieweit sie den Menschen anregt, nachzudenken. Ich merke auch, wenn es eine Blockade gibt. Darauf einzugehen, ist das Wichtige.

Cornelia: Wie kommt das Ganze dann in Gang?

Marcus: Mein Coaching-Ausbilder sagt immer, er beginne gern mit einer Geschichte: „Wissen Sie, ich komme vom Land. Ich weiß nicht, wie die Dinge bei Ihnen laufen. Deswegen frage ich.“ Dann denken die Leute nach, was genau sie als Problem erleben und für sich wie verbessern wollen. Sie reflektieren sich selbst, um es dem Coach gut erklären zu können. Damit steckt man dann schon mittendrin.

Cornelia: Startest du auch mit einem wiederkehrenden persönlichen Teaser?  

Marcus: Nein. Ich bin einfach nur neugierig, möchte unbedingt verstehen. Liegt das Problem eher so oder so? Oder ich spiegele, wie ich mir die Situation vorstelle. Dann können die Klient:innen zustimmen oder sagen, es sei alles ganz anders. So rückt das Gespräch stetig näher an den eigentlichen Themenkern heran.

Cornelia: Bist du von Natur aus neugierig? Oder hast du dir das quasi on the job angeeignet?

Marcus: Ich wollte schon immer alles wissen (lacht). Auch schon in meinem alten Beruf im Finanzwesen. Da haben mich immer die Dienstleistungen, Produkte und vor allem die Arbeit der Menschen der jeweiligen Firma total interessiert. Denn, was genau die Menschen machen, um etwas herzustellen, zeichnet es am Ende aus. Zum Beispiel ist man als Finanzer dafür verantwortlich, Kosten zu sparen. Wenn ich aber wild herumkürze, ohne die Herstellung voll zu verstehen, dann streiche ich womöglich gerade das Alleinstellungsmerkmal weg, die Seele vom Produkt. Das wäre fatal.

Cornelia: Die Seele von Coaching ist eine „sinnorientierte, gesunde Entwicklung“, schreibst du auf deiner Homepage. Wie sah das bei dir persönlich aus?

Marcus: Eigentlich hatte ich einen festen Stand in der Finanzwelt. Manchmal aber haben mir die Instrumente in diesem Feld allein nicht gereicht, um wirklich Veränderung zu schaffen. Etwa um eine Firma, die außer Tritt geraten ist, wieder in die Gewinnzone zu bringen. Oder um ein negatives Projektergebnis ins Positive zu drehen. Wenn meine Methoden nicht reichen, dann hat es vielleicht was mit der Motivation der Menschen zu tun, dachte ich. Diese Motivation wollte ich beeinflussen können. So bin ich zur Coaching-Ausbildung gekommen und mache das heute mit wachsender Freude.

Cornelia: Wenn ich ein Coaching ausprobieren möchte – wie finde ich einen guten Coach?

Marcus: Nimm vor allem Abstand von den Schubladen gut oder schlecht. Es geht vielmehr um passend oder nicht-passend, darum auf welchen Typ Mensch du dich gut einlassen kannst. Ich zum Beispiel bin sehr ruhig und wenig direktiv, sondern mehr suchend-forschend mit dir unterwegs. Viele finden das gut, andere nervt das womöglich. Sie suchen vielleicht nach jemandem, der auch mal klar sagt, so und so ist es und da liegt ein Weg. Insofern hilft es immer, vorab erst mal die Chemie zu testen. Denn nur, wenn Offenheit entsteht, geht das Coaching genug in die Tiefe, sodass echte Veränderung möglich wird.

Cornelia: Viele werben mit Referenzen für sich. Du machst das ausdrücklich nicht. Warum?

Marcus: Weil ich finde, das Coaching eine sehr persönliche, individuelle Sache ist. Wenn ich sage, ich habe diese oder jene Person gecoacht oder für Firma x und y gearbeitet, dann setze ich Marker. Ich denke aber, das geht öffentlich keinen was an. Das gibt meinen Coachees auch Schutz. Nicht zuletzt deswegen werde ich auch empfohlen. Und darüber hinaus werbe ich, indem ich Artikel veröffentliche … und jetzt auch einen regelmäßigen Newsletter (lacht).

Cornelia: Coachings gibt es zu allen erdenklichen Lebensthemen. Was steht bei dir im Fokus?

Marcus: Alles, was mit der Arbeitswelt zu tun hat. Die Grenzen können aber auch fließend sein. Ein Beispiel zum Thema Angst: Zu mir kam mal ein Geschäftsführer, der im Vertrieb tätig war und bundesweit unterwegs sein musste. Über die Jahre hatte sich bei ihm aber Angst vorm Autofahren ausgebreitet, was ihn beruflich belastete. Hätte er Spinnenangst gehabt, hätte ich das als eher Alltagsthema nicht angenommen.

Cornelia: Ein anderer Schwerpunkt bei dir ist das Coaching von Führungskräften. Du aktivierst quasi die persönliche Kraft der Menschen, Führung gut ausüben zu können. Woher gewinnst du deine eigene Kraft?  

Marcus: Durch ein ausgeglichenes Leben. Ich sehe zu, dass die Arbeit einen nicht zu großen Stellenwert einnimmt und kümmere mich aktiv um Auszeiten, gehe zum Beispiel regelmäßig zum Sport. Gerät das ins Hintertreffen, merke ich innerlich, jetzt habe ich es mit der Arbeit übertrieben.

Cornelia: Das geht vermutlich vielen so.

Marcus: Stimmt. Oft kommen Menschen aus dem Burn-Out zu mir. Sie hatten sich auf nur eine einzige Sache konzentriert: auf die Arbeit. Wenn es da dann einmal bröckelt, können die Menschen tiefer abstürzen, als wenn sie noch andere Lebensschwerpunkte haben.

Cornelia: Ihr arbeitet dann gemeinsam daran, wieder ein Stück Privatleben aufbauen, damit es im Beruf wieder funktionieren kann?

Marcus: Genau. Ich habe dafür ein schönes Bauklotz-Modell, die „Säulen des Lebens“. Hat man nur eine Säule und stellt sich drauf, ist das eine wackelige Angelegenheit. Bricht die Säule womöglich weg, fällt man unweigerlich hin. Steht man aber auf vielen Säulen, ist das stabiler. Vielleicht gehst du gern wandern, singst im Chor oder hast eine Tante, die du gern besuchst. Wenn du das pflegst, kann es sein, dass es dich weniger belastet, selbst wenn eine Säule fehlt. Die anderen sind ja weiterhin da. Ich gebe zu, ich für mich bin auch noch dran, genug Säulen zu bauen.

Cornelia: Das Coaching öffnet ein Fenster von Möglichkeiten. Wie wird das angenommen?

Marcus: Einige stürzen sich begeistert darauf und ändern ihr Berufsleben von Grund auf. Andere merken: O Gott, so vieles könnte ich machen? Das will ich eigentlich gar nicht. Ich möchte lieber mehr Sicherheit und im alten Beruf bleiben und nur an einigen Stellschrauben drehen für kleinere Veränderungen. Beides ist ein Erfolg, denn es ist dann jeweils eine bewusste, freiwillige Entscheidung. Das trägt zu größerer Zufriedenheit bei – mit jeder Sitzung ein bisschen mehr. An deren Ende frage ich auch immer, „Wie war es heute: War es hilfreich? Gab es eine interessante Erkenntnis? Geht es in die richtige Richtung?“ So kann ich immer den Kurs anpassen.

Cornelia: Was meinst du denn nach unserem Gespräch jetzt. Wie schätzt du mein Empfinden über den richtigen Kurs ein?

Marcus: Oh … (lacht). Ich habe dich als sehr interessiert wahrgenommen. Du hast aufmerksam zugehört. Und vielleicht hast du auch mal Lust, einen Coachingprozess zu durchleben.