Marcus Rosik begleitet als Coach Menschen bei beruflichen Veränderungen. Im Gespräch mit Wissenschaftskommunikatorin Cornelia Reichert plaudert er aus dem Nähkasten seines beruflichen Alltags und verrät, welchen Gewinn ein Coaching bringt.

 

Cornelia: Hallo Marcus. Schön, dass es so schnell geklappt hat. Eine angenehme Wohlfühlatmosphäre hast Du hier im Raum …

Marcus: Danke, danke.

Cornelia: … Hier lässt es sich gut sprechen. Das ist sicher gut, damit ein Coaching gelingt. Lass uns aber am Anfang starten: Wie lange bist du schon Coach?

Marcus: Ich habe 2015 den Abschluss meiner ersten Coachausbildung gemacht. Seitdem bin ich auch als Coach tätig. Zu Beginn habe ich noch einen Teilzeitjob nebenher gehabt. Inzwischen arbeite ich aber vollständig freiberuflich.

Cornelia: Du hast also vorher etwas anderes gemacht?

Marcus: Ja, genau. Ich habe BWL studiert mit den Schwerpunkten Finanz- und Rechnungswesen und IT. Dann habe ich über 20 Jahre im Rechnungswesen gearbeitet. Zunächst in der Dienstleistungsindustrie, später im Maschinen-, Anlagen- und Schiffbau – national und international. Ich war Sachbearbeiter, Führungskraft und Chief Financial Officer.

Cornelia: Das klingt nach klassischer Geschäftskarriere. Wie kam es dann, dass du heute als Coach arbeitest?

Marcus: Eigentlich war die Coaching-Ausbildung als Zusatzqualifikation gedacht. Dann habe ich gemerkt, dass es mir mehr Spaß macht, mit Menschen an ihrer Zukunft zu arbeiten als mit Zahlen aus der Vergangenheit zu jonglieren.

Cornelia: Gehen wir also in medias res und sprechen übers Coaching. Was für Menschen kommen in diesem Rahmen zu Dir?

Marcus: Eine wirklich bunte Mischung (lacht). Es sind zum Beispiel alle Altersstufen dabei, von Berufseinsteiger:innen bis zu gestandenen Kräften kurz vor dem Ruhestand. Auch die Positionen sind bunt gewürfelt: Es kommen Sachbearbeier:innen, Expert:innen und Führungskräfte, meist aus den mittleren Ebenen.

Cornelia: Und welche Themen bringen sie mit?

Marcus: Momentan geht es vor allem um den Arbeitsplatzwechsel, das New Placement auf Neudeutsch. Oft erleben meine Klient:innen auch wiederkehrend belastende Situationen, die sie verändern möchten. Das können Konflikte sein, aber auch Ängste, etwa vor dem Telefonieren, Autofahren oder ganz konkreten anderen Umständen. Oder es treibt sie eine latente berufliche Unzufriedenheit um, die sich meist über längere Zeit eingeschlichen hat.

Cornelia: Kannst Du diese „Unzufriedenheit“ ein bisschen mehr mit Leben füllen? Was missfällt denn da genau?

Marcus: Neben sehr individuellen Themen gibt es drei Felder, die sich wiederholen. Sehr oft geht es um die Arbeitsbedingungen im direkten Umfeld. An zweiter Stelle stehen regelmäßig wechselnde Organisationsstrukturen, die aus der Sicht meiner Klient:innen nicht nachvollziehbar sind. Und drittens fehlt nicht selten eine Aussicht auf eine persönliche berufliche Weiterentwicklung.

Cornelia: Du hast die Arbeitsbedingungen genannt. Was führt denn da zu Missstimmung?

Marcus: Das ist meist nicht die eine kleine neue Arbeitsregel, die plötzlich aufstößt. Wenn die Coachees mit einer Unzufriedenheit zu mir kommen, hat sich diese meist schon länger entwickelt und in der Regel auch gesteigert. Damit meine ich nicht Wochen, sondern eher Monate und manchmal sind es sogar ein paar Jahre.
Oft etwa haben meine Klient:innen den Eindruck, Aufgaben und Arbeitslasten seien ungleich verteilt. Sie beobachten, dass sie sich täglich abrackern, während Kolleg:innen scheinbar sehr wenig Arbeit tun. Oder sie berichten von Vorgesetzten, die ihnen regelmäßig zusätzliche Arbeit auf den Tisch „knallen“. Sie empfinden den Kommunikationsstil dabei als karg oder vermissen die Bereitschaft, Prioritäten und Arbeitslasten abzustimmen. So entsteht insgesamt das Gefühl, mit den Herausforderungen der täglichen Arbeit alleine dazustehen. Das wiederum erzeugt Druck, ein Gefühl von Ausweglosigkeit. Wenn das regelmäßig so ist, entsteht die Unzufriedenheit.

Cornelia: Das klingt nach schwerer Kost. Und lassen sich solche Arbeitsbedingungen überhaupt verändern? Was machst Du dann im Coaching? 

Marcus: Stimmt. Oft können meine Klient:innen diese Bedingungen nicht ändern. Deswegen prüfe ich mit ihnen zuerst, ob der Rahmen eigentlich noch so ist, dass sie dort weiterarbeiten wollen. Das hört sich jetzt vielleicht krass an. Wenn man das aber mal durchgespielt hat, gibt es viel Klarheit und Orientierung. Meine Klient:innen wissen danach viel besser, wo sie stehen, und entwickeln bereits erste Ideen, was sie tun können, wenn die persönlichen Grenzen überschritten sind. Das erleichtert oft schon sehr.

Dann arbeite ich mit meinen Klient:innen daran, wie sie mit gegebenen Bedingungen umgehen. Auch das mindert oft die Unzufriedenheit. Manchmal lösen sie damit auch in ihrem Organisationssystem unerwartete Veränderungen aus, was die Zufriedenheit noch mal erhöht.

Und es gibt noch einige Optionen mehr, die ich mit meinen Klient:innen durchspreche und sie unterstütze, diese umzusetzen.

Cornelia: Es gibt also Wege raus, das beruhigt. Du hattest anfangs auch gesagt, dass viele Menschen kommen, die vor einem Arbeitsplatzwechsel stehen oder sich schwierigen Situationen gegenübersehen. Erzähl doch mal mehr dazu.

Marcus: Gerade den Arbeitsplatzwechsel finde ich spannend. Denn merklich immer mehr Menschen suchen aus eigenem Antrieb nach einer neuen Stelle. Ich würde sagen, seit es die Corona-Virus-Pandemie gibt. Ich habe das Gefühl, die Menschen gehen achtsamer mit ihrer Arbeit und ihren beruflichen Aufgaben um. Das finde ich schön. Denn ich glaube, die Menschen finden neue Arbeitsplätze für sich, die sie viel besser ausfüllen als die bisherigen.

Cornelia: Sind das dann andere Tätigkeitsfelder?

Marcus: Entweder das oder es geht nur um ein anderes Umfeld. Da ist zum Beispiel eine Projektingenieurin, die seit 17 Jahren bei der gleichen Firma arbeitet …

Cornelia: Eine Menge Erfahrung – und wir haben Fachkräftemangel. Sie findet doch rasch einen neuen Job. Was soll da ein Coaching?

Marcus: Ganz ehrlich? Das habe ich mich zuerst auch gefragt. Doch die Erfahrung zeigt, dass ich da sehr wohl einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Denn wenn man lange in einer Firma ist, kommt es durchaus vor, dass man gar nicht so genau weiß, welche Kompetenzen man hat. Wenn man so lange Zeit immer wieder die gleichen Fähigkeiten abruft und einsetzt, ist das für einen selbst ganz normal. Man kommt nicht darauf, dass gerade das eine Kompetenz darstellt. „Das ist eine Kompetenz?“ Die Frage höre ich oft. Es ist also wichtig, die Kompetenzen zu klären, um sie in Bewerbungsprozessen auch benennen zu können.

Auch der Weg zur neuen Stelle ist ein Erfolgsfaktor. Die meisten bewerben sich immer noch auf die klassische Stellenanzeige. Ausgerechnet das halte ich für das Schwierigste. Sich initiativ zu bewerben oder zu netzwerken, verspricht aus meiner Sicht mehr Erfolg. Erst recht, wenn man es authentisch und gut macht. Außerdem gibt es Trends in der Personalsuche. Viele meiner Coachees, die mit einem Profil auf Sozialen Business-Netzwerken vertreten sind, sagen, sie würden regelmäßig angesprochen, ob sie einen neuen Job suchen. Ich unterstütze sie dabei, diese Potenziale zu heben.

Cornelia: Geht es nicht vor allem auch darum, dass Person und Job zusammenpassen?

Marcus: Ganz genau. Denn sonst kann es passieren, dass die Stationen im Lebenslauf immer recht kurz ausfallen. Das verursacht dann unnötigen Erklärungsbedarf. Also heißt es: klären, was zu mir passt und zu was ich passe. Das mache ich meist über die Arbeit mit Werten. Dafür habe ich extra zwei Tauchringe. Die stammen noch aus meiner Zeit als Schwimmtrainer, lange ist’s her (lacht). Die habe ich zweckentfremdet, um meinen Klient:innen das Thema Werte näherzubringen: Werte benennen und authentische Wege finden, diese zu überprüfen.

Cornelia: Auf dass Ihr dabei nicht im Trüben fischt, sondern aus dem Vollen schöpft. Aber mal ernsthaft: Was genau haben deine Klient:innen von dem Coaching? Ich meine, gibt es da belastbare, messbare Unterschiede?

Marcus: Tja, wie soll man mehr Zufriedenheit messen? Ich mache das oft durch Selbsteinschätzung mit Skalierungsfragen. Aber das ist rein subjektiv. In Bewerbungsprozessen können die Klient:innen manchmal messen, dass sie häufiger zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden.

Cornelia: Mehr Einladungen, mehr Passendes, mehr Wert, also. Vielen Dank, Marcus. Das hat schon viele Fragen ans Coaching beantwortet – und viele sind noch offen. Wann zum Beispiel ist ein Coaching zu Ende und worher weiß man das? Und wer ist eigentlich die Person Marcus Rosik hinter dem Coach?  

Marcus: Das nehmen wir uns bei einem nächsten Mal vor! (lacht)